Pressemeldung Nr. 93 vom

Grüne: Kulturförderung muss Pflichtaufgabe sein - Bisherige Hilfen gehen an der Realität der Künstler*innen vorbei

Die Kultur- und Veranstaltungsszene ist von der Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht.

Darum geht’s

Die Kultur- und Veranstaltungsszene ist von der Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht. Staatliche Hilfsprogramme kommen spät und gehen noch immer an den Erfordernissen vorbei, weil ihre Anforderungen einen Großteil der Betroffenen leer ausgehen lassen. Das hat die Online-Veranstaltung der Grünen-Fraktion zur Notlage in der Kulturbranche am Donnerstagabend (19.11.) deutlich gemacht. Auch Niedersachsen gehört zu den Bundesländern, die sich vergleichsweise spät und wenig um die Belange der Kultur in der aktuellen Krise gekümmert haben, wie die Beiträge zeigten. Eine November-Hilfe, die ausblendet, dass viel seit März keine oder kaum Einkünfte habe, greift nach den Worten des Pianisten Igor Levit viel zu kurz. Die Grünen im Landtag fordern deshalb von der Landesregierung ein Kulturförderkonzept in der aktuellen Krise, das mit den Betroffenen selbst erarbeitet wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Programme überhaupt wirken.

Das sagen Beteiligte der Veranstaltung

Igor Levit, Pianist

„Die Soloselbständigen befinden sich faktisch seit Mitte März im Berufsverbot. Die meisten soloselbständigen Musikerinnen und Musiker haben seither nichts oder kaum etwas verdient. Die Überbrückungshilfen waren ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein. Die November-Hilfe und die Idee eines Unternehmerlohnes sind gut. Nur wenn dieser Gedanke nicht bis März zurückgeht, hat er mit der Lebensrealität der Soloselbständigen nichts zu tun. Ich plädiere deshalb dafür, die November-Hilfe rückwirkend auf die Zeit ab Mitte März auszudehnen. Es geht nicht darum, die Konzertsäle einfach zu öffnen in der Corona-Pandemie. Diese Pandemie erfordert Demut und Respekt vor dieser Krankheit. Aber es muss jetzt seitens der Politik schnell gehandelt werden. Ansonsten kommt es zu einer brutalen Marktbereinigung, die hoffentlich niemand wollen kann. Wir müssen auch sehen, dass an jeder Künstlerin oder jedem Künstler noch mehrere andere Menschen beruflich dranhängen.“

Dorothee Palm, Hannoversche Hofkapelle

„Die Kultur muss endlich als Wirtschafts- und Innovationsfaktor anerkannt werden. Das muss auch in die Köpfe der freischaffenden Künstlerinnen und Künstler. Die Politik muss Hartz-IV für Zeiten wie eine Pandemie schnell reformieren. Aktuell ist das wenige Geld, was vorgesehen ist, nicht da angekommen, wo es ankommen soll. Das Programm "Niedersachsen dreht auf" funktioniert bisher nicht. Es hat lange gedauert, überhaupt herauszufinden, ob die Hannoversche Hofkapelle antragsberechtigt ist. Bei der November-Hilfe des Bundes muss 51 Prozent meines Umsatzes aus der Soloselbständigkeit kommen. Ich lag im vorigen Jahr knapp darunter. Damit kann ich keine Hilfe beantragen. Die Politik muss künftig die Betroffenen dringend einbeziehen, wenn sie Hilfsprogramme konzipiert. Denn die wissen genau, wie die Branche funktioniert.“

Marc Engelke, DEICHBRAND Festival

„Es braucht schleunigst einen versicherungsähnlichen „Kosten-Schutzschild“ aus Ländermitteln für veranstaltungsbezogene Ausgaben im Falle nicht vorhersehbarer Corona-bedingter Festival- und Konzertabsagen. So würden die Veranstalter wieder in die Lage versetzt, mutig Künstler zu buchen und Aufträge an die unzähligen Branchendienstleister und Solo-Selbstständigen zu vergeben und säßen im Falle einer Absage nicht alleine auf den Kosten. Solange uns dieses Risiko nicht genommen wird, steht die gesamte Branche auch weiterhin still.“

Das sagen die Grünen

Eva Viehoff, Sprecherin für Kulturpolitik

„Wir brauchen im Bund und in Niedersachsen Förderprogramme, die Kunst und Kultur sowie den Soloselbständigen wirklich helfen. Die Maßnahmen In Niedersachsen sind bürokratisch so kompliziert, dass sie oft nicht genutzt werden können. Im Vergleich zu anderen Bundesländern fehlt hier das Engagement für die Kultur- und Veranstaltungsszene, wie in den Schilderungen aus der Kulturszene in unserer Online-Veranstaltung überdeutlich geworden ist. SPD und CDU haben acht Monate gebraucht, um sich mit den Vorschlägen der Grünen zu Corona-Hilfen für Kultur und Veranstaltungen zu beschäftigen. Was jetzt geschehen muss: Die Hilfen müssen von dem immensen bürokratischen Aufwand und den zu hohen Hürden befreit werden. Die Leute brauchen jetzt schnell das Geld. Und sie brauchen Perspektiven über vier Wochen hinaus. Eine erste Maßnahme wäre, den Pfändungsfreibetrag in den Hilfen freizustellen. Kulturförderung muss außerdem eine Pflichtaufgabe werden. Denn angesichts der Finanznot werden viele Kommunen nächstes Jahr natürlich bei freiwilligen Leistungen kürzen.“

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