Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung:Was unternimmt die Landesregierung zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte?
Was unternimmt die Landesregierung zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte?
Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff, Meta Janssen-Kucz, Dragos Pancescu und Belit Onay (GRÜNE) an die Landesregierung, eingegangen am 25.04.2019.
Seit Mitte des vergangenen Jahres befasst sich der „Forschungsverbund Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie“ (PAESE) mit der Aufarbeitung des kolonialen Erbes einiger niedersächsischer Museen. Unter der Federführung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover werden hier die eigenen Bestände sowie die ethnografischen Sammlungen in Göttingen (Georg-August-Universität), Oldenburg (Landesmuseum Natur und Mensch), Hildesheim (Roemer- und Pelizaeus-Museum) und Braunschweig (Städtisches Museum) erforscht. Ein vergleichbares Projekt für mittlere und kleine Museen, die über ethnologische Bestände verfügen, ist laut Pressemitteilung des MWK vom 12.03.2019 in Planung. In einem Presseartikel der HAZ vom 30.06.2018 sagt Kulturminister Thümler, Deutschland könne in der kolonialen Provenienzforschung ein Beispiel für andere Länder sein. Zudem spricht sich der Minister ausdrücklich auch für die Rückgabe von zu Unrecht mitgeführten Artefakten aus den kolonisierten Ländern aus.
1. Wie viele Gedenkorte zur Erinnerung an die deutsche Kolonialzeit gibt es nach Kenntnis der Landesregierung in Niedersachsen, und welche sind dies (bitte einzeln aufführen)?
2. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Landesregierung gegenwärtig, um an die Verbrechen der deutschen Kolonialzeit zu erinnern?
3. Wie sollte nach Auffassung der Landesregierung die Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit in Schulen (z. B. Curricula, Schulpläne) aussehen?
4. Teilt die Landesregierung Forderungen, nach denen mit Kolonialverbrechen verbundene Straßennamen in Deutschland umbenannt werden sollen?
5. Wie viele Objekte mit ungeklärter Provenienz befinden sich nach Kenntnis der Landesregierung in den Sammlungen niedersächsischer Museen?
6. In welcher Höhe und in welcher Personalstärke werden derzeit von der Landesregierung Maßnahmen zur Inventarisierung des sich auf dem Gebiet des Bundeslands Niedersachsen befindlichen Kulturguts aus kolonialen Kontexten gefördert (bitte nach staatlichen, privaten und exterritorialen Sammlungen aufschlüsseln)?
7. Welchen Kosten- und Personalbedarf sieht die Landesregierung zur Klärung der in niedersächsischen Museen befindlichen Provenienzen?
8. In welcher Höhe und in welcher Personalstärke werden derzeit von der Landesregierung Maßnahmen zur Provenienzforschung des sich auf dem Gebiet des Bundeslands Nieder-sachsen befindlichen Kulturguts aus kolonialen Kontexten gefördert (bitte nach staatlichen, privaten und exterritorialen Sammlungen aufschlüsseln)?
9. Welche Mittel zur Provenienzforschung befinden sich an welchen Haushaltsstellen im Lan-deshaushalt 2019, und ist Mittelerhalt bzw. Erhöhung Teil der Haushaltsplanungen der Landesregierung für 2020 und darüber hinaus? Falls nicht, wieso nicht?
10. Wie ist der aktuelle Planungsstand eines zu PAESE vergleichbaren Projektes für mittlere und kleine Museen in Niedersachsen, die über ethnologische Bestände verfügen (bitte geplanten Start sowie Finanzierung und Wirkungskreis angeben)?
11. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über bestehende Kooperationen zwischen deutschen Kultureinrichtungen und Vertreterinnen und Vertretern von sogenannten Sourcecom-munities zum Umgang mit Kulturgütern aus kolonialen Kontexten?
12. Plant die Landesregierung, verpflichtende Regelungen zum Umgang mit Kulturgütern aus kolonialen Kontexten für niedersächsische Museen und Sammlungen zu erarbeiten?
13. Was unternimmt die Landesregierung, um das Ersitzen oder den gutgläubigen Erwerb von geraubten Kulturgütern aus kolonialen Kontexten systematisch zu überprüfen und alternative Formen der Herstellung des Rechtsfriedens bzw. der Streitschlichtung zu entwickeln?
14. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die sich gegenwärtig in niedersächsischem Besitz oder auf dem Gebiet des Bundeslands Niedersachsen befindenden kolonialen Exponate umfassend inventarisiert werden und ihren rechtmäßigen Besitzern oder Erben zurückge-geben bzw. diese entschädigt werden?
15. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit, die sich in akademischen oder musealen Sammlungen in Niedersachsen befinden (bitte einzeln nach Art, Herkunft sowie Lager- bzw. Ausstellungsort auflisten)?
16. In welchen derzeit stattfindenden oder geplanten Ausstellungen in Niedersachsen sind menschliche Gebeine Bestandteil?
17. Was unternahm die Landesregierung bislang, um die sich möglicherweise in solchen Sammlungen befindenden Gebeine zu identifizieren und mit der Übergabe dieser an die Nachfahren der Kolonisierten zu beginnen?
18. Welche dieser Objekte wurden bislang mit welchem Ergebnis wissenschaftlich in Bezug auf Unrechtsgeschichte (insbesondere Kolonialzeit und Nationalsozialismus) und ethische Aspekte im Rahmen der Sammlungspraxis (z. B. Grabplünderungen) untersucht?
19. Gibt es Rückforderungsgesuche von kolonialer Beutekunst oder Gebeinen an Museen oder Sammlungen in Niedersachsen (bitte einzeln auflisten mit Forderungssteller, gefordertem Artefakt und Museum/Sammlung, in der das Artefakt momentan liegt, sowie aktuellem Bearbei-tungsstand des Rückforderungsgesuches)?
20. Auf welche Weise wurde bislang an die Unrechtsgeschichte von Objekten und Sammlungen aus der Kolonialzeit, die sich in akademischen oder musealen Sammlungen in Niedersachsen befinden, erinnert?
(Verteilt am 30.04.2019)