Eva Viehoff: Rede zum Tariftreue- und Vergabegesetz

- Es ist das gesprochene Wort -

[Anrede],

Der von der Landesregierung zunächst vorgelegte Gesetzesentwurf wäre ein Affront gegenüber den Arbeitnehmer*innen und dem Thema „Gute Arbeit“ in Niedersachsen gewesen.

Und das auch ohne irgendeine Ahnung zu haben, welche Auswirkungen die vorgeschlagenen Änderungen auf Arbeitnehmer*innen und das Ausschreibeverfahren für die Kommunen hat, wie wir durch eine kleine Anfrage an das Wirtschaftsministerium erfuhren. Denn darin musste die Landesregierung zugeben, nicht einmal Basisdaten wie das Auftragsvolumen aller öffentlichen Vergaben in Niedersachsen zu kennen.

Damit wurde klar, dass die Landesregierung nicht in der Lage war und ist, zu benennen, wie hoch eigentlich der Anteil der Aufträge ausfällt, die von den Änderungen des Tariftreue- und Vergabegesetz betroffen wären.

Ich frage mich, wie man als Minister einen Gesetzesentwurf einreichen kann, wenn einem die eigenen Fachleute im Ministerium sagen, dass sie über keinerlei Daten verfügen, die eine Folgenabschätzung auch nur ansatzweise möglichen machen? So macht man keine gute Politik, verehrte Landesregierung!

Zurecht haben dann die Abgeordneten aller Fraktionen im diesem Hause - auch die eigenen Abgeordneten der Regierungsparteien von SPD und CDU, den Gesetzesentwurf kritisiert. Man könnte den Verdacht bekommen, der Minister hat sich von einem Lobbyisten Einzelinteressen ins Ohr flüstern lassen, anstatt mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Parlament zusammenzuarbeiten.

Die Kritik hat ja dann doch etwas bewirkt. Die Fraktionen von SPD und CDU haben einige unsinnige Punkte aus dem ersten Gesetzesentwurf entfernt und auf die Empfehlungen der externen Expert*innen und Verbände in der Anhörung teilweise gehört. Und so konnten Wirtschaft und Gewerkschaften mit ihren Argumenten, dass eine Aufweichung der gesetzlichen Anforderungen an die Vergabe von öffentlichen Aufträgen weder gut für den wirtschaftlichen Wettbewerb, noch unsere niedersächsischen Unternehmen und schon gar nicht für die Beschäftigten ist, wenigstens teilweise Gehör verschaffen. Das hätte man auch gleich machen können!

Wir Grünen haben während der Anhörung und in Gesprächen abseits des Parlaments gewissenhaft zugehört. Und wir bleiben unserem Anspruch, bessere Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von sozialen und ökologischen Vergabekriterien in Niedersachsen voranzubringen, treu.  Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass es falsch ist den Schwellenwert im Vergabegesetz um 100 Prozent gegenüber der aktuellen Regelung von 10 auf 20.000 Euro steigen zu lassen. Das bedeutet eben doch, dass eine Vielzahl von Aufträgen nicht mehr unter das Vergabegesetz fallen wird und die Tarifbindung in Niedersachsen damit geschwächt wird. Mit den jetzt vorgenommenen Änderungen wird die GroKo den Forderungen der Unternehmen und Gewerkschaften nur ansatzweise gerecht, die im Ausschuss beide dafür plädiert haben, die Untergrenze bei 10.000 Euro zu belassen.

Die Regierungsfraktionen wollen genau wie die Landesregierung weiter daran festhalten, die sogenannten Subventionsempfänger aus dem Vergabegesetz zu streichen. Glücklicherweise haben sie zumindest erkannt dies zu beobachten und zu kontrollieren.

Die GroKo sagt zur Herausnahme der Subventionsempfänger, dass diese Probleme mit dem Vergaberecht hätten und deswegen für sie die Regeln nicht mehr gelten sollen. Nach dieser Logik müssten wir dann auch Bußgelder für Temposünder abschaffen, weil manche Menschen Schwierigkeiten haben, sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Sie merken selbst, wie absurd das ist!

Und selbst wenn – hätte es hier keiner Gesetzesänderung bedurft, sondern einfach einer Ausnahmeregelung.

[Anrede],

Trotz der Nachbesserungen wird daher künftig ein Großteil der öffentlichen Vergabe wohl doch jenseits der gesetzlichen Regelungen stattfinden und damit kommt es eben doch dazu, dass sie Unternehmen bei uns in Niedersachsen benachteiligen, die sich für gute soziale, ökologische und tarifliche Standards einsetzen.

Und selbstverständlich unterstützen wir den Vorstoß für mehr verpflichtende und ausreichende Kontrollen, um Verstöße wirksam zu bekämpfen und Nachahmer abzuschrecken. Doch warum wird dann erst das Tariftreue- und Vergabegesetz geändert?

Noch 2013 hat die SPD mit uns den Anwendungsbereich des Gesetzes für mehr soziale Gerechtigkeit vergrößert. Und nun untergrabt ihr gemeinsam mit der CDU in großen Teilen die Vorbildfunktion der öffentlichen Auftraggeber.

Waren wir uns nicht einig? Wir brauchen nicht weniger Tariftreue und Vergaberecht, sondern mehr!

Genau dazu ist in Niedersachsen das Tariftreue- und Vergabegesetz da!

Und daher wollen wir Grüne den Nutzen und die Anwendungsbereiche des Vergabegesetzes aus rot-grüner Regierungszeit erhalten und darüber hinaus verbessern.

Nun gut, Rot-Grün ist Geschichte und man muss sich nicht mit dem bestehenden Gesetz anfreunden. Doch man hätte sich doch auch das Saarland als Vorbild nehmen können. Die GroKo dort hat die Vergabe von öffentlichen Aufträgen ausnahmslos an die Einhaltung von Tarifverträgen geknüpft. Warum geht dann hier in Niedersachsen nicht auch ein Stück gute Politik mit denselben Parteien?

Auch wenn SPD und CDU am ursprünglichen Gesetzesentwurf Änderungen vorgenommen haben, bleiben wir dabei: Wir brauchen mehr Tariftreue! Dies wäre mit Beibehaltung des bestehenden Gesetzes erfolgreich weiter umzusetzen gewesen.

Was die GroKo hier versucht, als Abbau unnötiger Bürokratie zu verkaufen, ist tatsächlich eine Verminderung sozialer und ökologischer Standards bei der Vergabe - auf Kosten regionaler Betriebe und auf Kosten der Beschäftigten. Deswegen werden wir gegen die Gesetzesnovellierung stimmen. Vielen Dank!

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