Eva Viehoff: Rede zum kolonialen Erbe (Antrag GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Bei seiner Einbringung vor einem Jahr musste man den Eindruck gewinnen, dass unser Antrag von den demokratischen Parteien wohlwollend aufgenommen wurde.

So war sich Silke Lesemann von der SPD sicher, Provenienzforschung allein reicht nicht, ich zitiere:

…“damit allein ist die Sache aber noch nicht erledigt“ … und im weiteren Zitat:

„Hegemoniale Diskurse und Strukturen wirken aber bis heute fort; denn entgegen vieler Auffassungen ist der Kolonialismus noch lange nicht Geschichte, sondern die Überordnung und vermeintliche kulturelle Überlegenheit eurozentristischer Sichtweisen gegenüber afrikanischen, chinesischen und ozeanischen Perspektiven setzt sich immer noch fort.“

Im Rahmen der Ausschussberatung war davon dann aber nicht mehr viel zu spüren, dass die Aufarbeitung des Kolonialismus in Niedersachsen wirklich vorangebracht und nicht aus der eurozentristischen Betrachtung heraus beraten werden soll. Auf eine Anhörung wurde verzichtet, selbst das Anhören der Betroffenen – also People of Color - wurde abgewiesen.

Mit der Begründung, wir Grünen hätten ja schon einmal eine fraktionsinterne Anhörung durchgeführt. Diese könne man sich ja auch noch einmal anschauen. Leider scheint dies offensichtlich das Verständnis parlamentarischer Beratung in der GroKo zu sein.

Zudem haben sich dann nur einige wenige zumindest den Mitschnitt unserer Fraktionsanhörung angeschaut und es ist zu vermuten; dass darf man zumindest beim Lesen des jetzt vorliegenden Beschlussvorschlages des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur annehmen; das einzig die Situation der Aufarbeitung des kolonialen Erbes in der einleitenden Prosa zu großen Teilen aus dem Grünen Antrag übernommen und beschrieben wurde.

Immerhin etwas.

Im Forderungskatalog beschäftigt sich die Beschlussempfehlung des Ausschusses dann allerdings ausschließlich mit der sicher wichtigen Provenienzforschung.

Weitere Aspekte, vor allem der gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung, werden überhaupt nicht in den Blick genommen. Von den bei der Einbringung geäußerten Notwendigkeiten, sich mit dem kolonialen Erbe intensiv zu beschäftigen, ist fast nichts übriggeblieben, wie als Beispiel die notwendige schulische Vermittlung genannt.

In der Ausschussunterrichtung durch das Georg-Eckert-Institut wurde jedoch deutlich, dass Kolonialismus zwar in Schulbüchern vorkommt, es allerdings seit 2013 keine Studien mehr dazu gibt.

Herr Prof. Fuchs, vom Institut, stellte außerdem klar, dass Kolonialismus in der Regel als ein Thema innerhalb der europäischen Großmachtpolitik im Zeitalter des Imperialismus dargestellt wird. Und dass die Stimmen der Kolonisierten kaum zu hören sind und zum Beispiel auch das vorkoloniale Afrika de facto überhaupt nicht auftaucht.

Forderungen im Beschlussvorschlag des Ausschusses hier etwas zu ändern, also vielleicht eine Studie auf den Weg zu bringen? Fehlanzeige!

So wird einzig deutlich, SPD und CDU können keine großen Sprünge, sie können nur Tippelschritte und den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Das ist ein absolutes Armutszeugnis!

Diese GroKo arbeitet nicht mehr miteinander, sondern gegeneinander und dabei bleibt fast alles auf der Strecke, eben auch die umfängliche Aufarbeitung des kolonialen Erbes.

Anrede,

Das was hier heute mehrheitlich verabschiedet wird, kann bei ausreichender Finanzierung helfen die Provenienzforschung voranzubringen. Es bringt uns aber in der gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung des Kolonialismus nicht einen Schritt weiter und damit auch nicht bei der Überwindung von Rassismus.

Das ist überaus bedauerlich – es war allerdings in der aktuellen politischen Konstellation leider zu erwarten.

Vielen Dank.

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