Eva Viehoff: Rede zum Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

nicht überall, wo Arbeitnehmerschutz draufsteht, ist auch Arbeitnehmerschutz drin!
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zu den Ladenöffnungszeiten betreiben SPD und CDU einen unredlichen Etikettenschwindel! Einen Etikettenschwindel, der mit der parlamentarischen Interessensvertretung der Beschäftigten nicht viel zu tun hat!

Der Gesetzentwurf der Landesregierung und auch die Änderungen der Regierungsfraktionen zur Gesetzesnovelle sind ein herber Rückschritt für die Beschäftigten des Einzelhandels in Niedersachsen! Da hilft auch kein Euphemismus in Ihren öffentlichen Statements, mit denen Sie versuchen, den Menschen Sand ins Augen zu streuen. Sie wollen die Menschen an mehr und nicht weniger Sonntagen, und zwar an bis zu sechs, statt wie bisher vier Sonntagen in Zukunft arbeiten lassen!

Zu Ihrer Ehrenrettung kann man ja nur noch den FDP Antrag heranziehen, der mit 12 Sonntagsöffnungen pro Gemeinde im Überbietungswettkampf um die Sonntagsöffnung Tabellenführer ist. Doch in Sachen Arbeitnehmer*innen-Schutz habe ich da von der FDP auch nichts Anderes erwartet.

Anrede,

hören Sie auf mit Ihrer Märchenstunden! Stehen Sie dazu, dass Sie Verkäuferinnen sonntags zur Arbeit schicken, statt sie mit ihren Familien gemeinsam Zeit verbringen zu lassen!

In einem Punkt sind wir uns allerdings einig: Dass das bisherige Ladenöffnungszeitengesetz novelliert werden muss. Gerichtsurteile, wie das vom Bundesverfassungsgericht Ende 2009, haben deutlich gemacht, dass die Rechtsunsicherheit, ob oder ob denn nun nicht Geschäfte am Sonntag ihre Türen aufmachen dürfen, dringend beendet werden muss. In den Verwaltungen wusste doch zum Schluss niemand mehr genau, ob er oder sie sich noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegte, wenn es darum ging einen Antrag zur Sonntagsöffnung zu genehmigen.

Diese auf Treibsand gebauten Sonntagsöffnungen wollte die GroKo beenden. Sie wollte Rechtssicherheit für die Kommunen schaffen. Soweit die gute Absicht!

Was gut gemeint ist, ist lange noch nicht gut gemacht.

Anrede,

Denn: In Deutschland ist die Arbeitsruhe an Sonntagen und anerkannten Feiertagen verfassungsrechtlich geschützt! Und das ist gut so!
Wer den Artikel 140 Grundgesetzes in Verbindung mit dem den Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) aussetzen will, braucht einen triftigen Grund, dies zu tun:

Ein nachvollziehbarer trifftiger Grund ist die Gesundheit, denn es müssen auch an Sonntagen Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen weiter versorgt werden. Und so müssen eben auch Polizei und Feuerwehr an Sonn- und Feiertagen für ausreichend Sicherheit und Schutz der Bevölkerung sorgen. Weil es nicht anders geht.

Anrede,

Das Recht des Einzelhandels auf Umsatz oder aber auch das Recht der Menschen auf Konsum an Sonn- und Feiertagen sind - so hat es das Bundesverfassungsgericht klar gestellt - ausdrücklich KEIN Grund, die Arbeitsruhe auszusetzen. Wenn ich spontan eine Bohrmaschine kaufen will, rechtfertigt mein plötzlicher Konsumimpuls nicht, dass ich sonntags das Familienleben der Beschäftigten in Baummärkten kaputt mache. Die Mär‘ vom zusätzlichen Umsatz stimmt ja ohnehin nicht - Sonntagsöffnungen spülen keinen einzigen Euro mehr in die Kassen, sondern verteilen die Einnahmen nur auf mehr Verkaufstage!

Anrede,

ja- wir haben ein Problem mit dem Online-Handel! Doch der Bruch mit der verfassungsrechtlich gesicherten Arbeitsruhe der Beschäftigten ist nicht das geeignete Pflaster, mit dem wir den Aderlass im stationären Einzelhandel stoppen werden. Die Wettbewerbsnachteile lassen sich überwinden, wenn wir zum Beispiel endlich für kostendeckende Versandpreise sorgen, die Grundlage für eine anständige Bezahlung der Paketboten sind; indem wir für Preise sorgen, die die Kosten für den ökologischen Fußabdruck tatsächlich abdecken. Wir kompensieren die Wettbewerbsverzerrung, indem wir den Verkauf vor Ort günstiger und die Online-Bestellung von Konsumgütern mithilfe einer CO2-Steuer teurer machen. Solche Steuerungsinstrumente machen Sinn! Das stärkt und hilft dem Einzelhandel!

Anrede,

mit uns gibt es keinen Etikettenschwindel! Und auch kein „jeder kann machen was er will“! Sie können sich darauf verlassen, wenn bei uns Arbeitnehmer*innen-Schutz auf dem Antrag steht, dann ist der auch da drin:

Denn mit uns gibt es auch in Zukunft keine Aufweichung der verfassungsrechtlich geschützten Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen!

Wir wollen, dass sich auch in Zukunft die Menschen im Einzelhandel darauf verlassen können, maximal viermal im Jahr sonntags arbeiten zu müssen (bzw. maximal achtmal an Ausflugsorten);

Wir wollen sicherstellen, dass nur dann die Arbeitsruhe der Beschäftigten gestört wird, wenn ein wirklich triftiger Grund vorliegt - nur um es klar zu stellen, schnöden Mammon verdienen oder Nagellack kaufen zu wollen, rechtfertigen nicht eine Ausnahme von der Arbeitsruhe - schauen Sie sich das Urteil doch bitte noch mal in Ruhe dazu an!

Wir wollen, dass Verkäufer*innen in Bäckereien, wenn sie denn schon sonntags losmüssen, nach drei Stunden zu ihren Familien zurückkehren können und wenigstens noch ein bisschen etwas vom Sonntag haben, bevor sie in die nächste volle Arbeitswoche starten;

Mit uns gibt es auch keine Sonntagsöffnung durch die Hintertür, keine Ausnahme von der Ausnahme wie das die GroKo z.B. für Geschäftsjubiläen zulassen will.

Und: Wir wollen, dass das Genehmigungsverfahren nicht in Hinterzimmern ausgetragen, sondern transparent und offen verläuft.

Dazu gehört für uns auch, dass alle Akteure gerade auch die Gewerkschaften vor Erteilung einer Genehmigung angehört werden müssen.

Anrede,

machen Sie sich ehrlich! Unterstützen Sie unseren Antrag! Und nicht Ihre Mogelpackung! Danke!

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