Antrag: Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur – Transparenz schaffen, Kunst- und Kulturschaffende stärken und schützen
Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Der Landtag wolle beschließen:
Spätestens seit Oktober 2018 ist eine lebhafte Debatte über den Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Kultur- und Kunstszene entbrannt. Ein bedeutendes Ereignis war die Versteigerung eines vom Algorithmus erzeugten Bildes durch ein Team aus drei Studierenden bei Christie's in New York für über 400.000 $. Das Bild wurde mithilfe eines kostenlos im Internet verfügbaren Programms entwickelt, das von einem amerikanischen Schüler erstellt wurde. Gegen Vorwürfe, dass ihr Werk lediglich auf bereits existierenden menschlichen Kreationen beruhe und somit keine eigenständige Leistung sei, verteidigten sie sich, indem sie betonten, dass der Algorithmus zuvor durch ihre Arbeit mit mehr als 15.000 Kunstwerken trainiert wurde. Aus diesem Grund betrachteten sie sich als rechtmäßige Urheber des entstandenen Werkes.
Dieser Fall macht deutlich, dass die Debatte um den Einsatz von KI angesichts der rasend schnellen Entwicklung zeitnah geführt werden muss. Denn die Entwicklung beschränkt sich längst nicht mehr nur auf technische Innovationen, sondern erobert immer mehr Bereiche, die man zuvor rein der menschlichen Kreativität und Schaffungsmöglichkeiten zugeordnet hat. So kann KI mittlerweile Gedichte und Geschichten schreiben, Kunstwerke erschaffen, Stimmen imitieren, Musik komponieren, sogenannte Deep-Fakes erzeugen (täuschend echte Fotos oder Videos). Sie übt damit einen großen Einfluss auf Kunst- und Kulturschaffende aus, birgt Risiken und eröffnet neue kreative Chancen.
Die Debatte um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz macht auch deutlich, dass es in unserer Gesellschaft unterschiedliche Wissensstände gibt. In unserem Flächenland ist es wichtig, alle Kulturakteure mitzudenken, zu sensibilisieren und fortzubilden.
KI in Kunst und Kultur betrifft nicht nur Kunst- und Kulturschaffende, sondern auch Kultureinrichtungen, kulturelle Bildungseinrichtungen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Bei den Risiken geht es nicht nur um Fragen des Urheberrechts, sondern auch um Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte. Mit dem Europäischen AI-Act ist Europa zwar ein weltweiter Vorreiter der Regulation von KI, allerdings finden der Schutz und die Transparenz für Kunst und Kultur in nur sehr geringem Maße Berücksichtigung.
Vor diesem Hintergrund begrüßt der Landtag:
- die Verordnung des europäischen Parlaments zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (Gesetz über Künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtakte der Union (AI-Act)
- die geplante Entwicklung einer Digitalstrategie für den Kulturbereich in Niedersachsen
- die in Anknüpfung an den Masterplan Digitalisierung Niedersachsen entstandene KI-Strategie der Landesregierung
Entschließung
Der Landtag bittet die Landesregierung:
- In Dialog zu treten mit Kunst- und Kulturschaffenden sowie Kulturvermittelnden und eine gemeinsame Strategie für den Einsatz von KI in Kunst und Kultur zu entwickeln, sowie die Chancen des Einsatzes zu nutzen und den Kulturstandort Niedersachsen zu stärken. Hierbei sollen auf Basis der Empfehlung der Kulturministerkonferenz zu Digitalität und digitaler Transformation im Kulturbereich von 2023 laufende Prozesse auf Bundesebene, in anderen Bundesländern, in Kommunen und Institutionen mitberücksichtigt werden.
- Die bestehende Strategie der Landesregierung zur KI in Niedersachsen um den Einsatz von KI in Kunst und Kultur zu erweitern und es als Bestandteil niedersächsischer Transformation anzuerkennen.
- Sich landesweit, bundesweit und im europäischen Parlament dafür einzusetzen, dass das Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht und die Datenschutzverordnung im Hinblick auf den Einsatz von KI in Kunst und Kultur weiterentwickelt und verlässliche Rechtsstrukturen geschaffen werden.
- Zu prüfen, inwiefern beim sogenannten Text- und Datamining die Nutzung und Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke nachvollzogen und die Urheber der Werke vor unerlaubter Nutzung durch KI geschützt werden können.
- Zu prüfen, welche rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um KI-generierte Werke urheberrechtlich schützen zu können.
- Zu prüfen, ob die Transformationsprozesse durch KI in Kunst und Kultur durch die Unterstützung von entsprechenden Projekten unterstützt und vorangetrieben werden können, etwa durch die Ausbildung von digitalen Transformationsmanager*Innen.
- Im Dialog mit Akteuren der Kulturellen Bildung Programme zu entwickeln, die die Wissensbildung, Fortbildung und Befähigung von Kulturschaffenden, Haupt- und Ehrenamtlichen in Kulturinstitutionen, -initiativen und -vereinen zum Thema digitale Transformation und KI in den Blick nimmt.
- Gezielt Leuchtturmprojekte für den Einsatz von KI in künstlerischen Projekten zu unterstützen.
Begründung
Die Möglichkeiten von KI sind vielfältig und sie finden in allen Bereichen des Lebens zunehmend Anwendung. Das gilt auch für Kunst und Kultur. Dabei gibt es wie in allen Bereiche Chancen und Risiken die in Umsetzung, Regulierung und Gestaltung politisch begleitet werden müssen. Kunst und Kultur bieten gesellschaftliche Reflexionsräume.
So sind die Forderungen nach einer größtmöglichen Transparenz bei der Nutzung von KI und die Markierung von KI-generierten Elementen durch Kunstschaffende durchaus berechtigt, da die bisherige Praxis Regelungen vermissen lässt, die dem Urheberrecht gerecht werden.
Andererseits bietet KI in der Kunst- und Kulturbranche nie dagewesene Möglichkeiten. Sie kann Kunstschaffenden helfen, durch neue Techniken, Stile und Ideen ihre kreativen Grenzen zu erweitern und als Inspirationsquelle dienen. Sie trägt dazu bei, kulturelle Erlebnisse und Kunstwerke individueller zu gestalten und ein an das Publikum angepasstes, personalisiertes Kulturerlebnis zu bieten. Automatisierte Sprachfunktionen machen Werke barrierefrei zugänglich durch Übersetzungen, Untertitel und Bildbeschreibungen. KI hilft dabei, Kunstwerke und kulturelles Erbe zu restaurieren, indem sie beispielsweise beschädigte Werke digital konstruiert und Alterungserscheinungen korrigiert. Komponist*innen greifen bei der Generierung neuer Melodien, Harmonien oder musikalische Strukturen auf KI zurück, indem sie diese bei der Klangsynthese nutzen oder realistische Instrumentenklänge erzeugen.
Diese Transformation muss auch die niedersächsische Kulturpolitik begleiten und dafür Sorge tragen, dass Künstler*nnen sowohl in ihren Rechten gestärkt und in den Möglichkeiten die KI bietet unterstützt werden.