Eva Viehoff: Rede zum Sparkurs an Universitäten (Aktuelle Stunde GRÜNE)

TOP 14 b:Mit dem Rasenmäher durch die Wissenschaftslandschaft – GroKo-Sparkurs an Universitäten stoppen! (Aktuelle Stunde Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Mit einer Einsparung von fast 25 Millionen Euro jährlich bei der Grundfinanzierung der Niedersächsischen Hochschulen ist nach 2 Sparrunden in 2020 und jetzt aktuell in 2021 für die Universitäten und Hochschulen ein Punkt erreicht, an dem das Ansehen und die Qualität des Lehr- und Wissenschaftsstandortes Niedersachsen in Gefahr ist.

Seit Ende 2020 werden immer mehr Hiobsbotschaften aus den Universitäten und Hochschulen bekannt, die deutlich aufzeigen, dass die eingeläuteten und mit Sicherheit nicht beendeten Kürzungen der Grundfinanzierungsmittel an Niedersachsens Hochschulen und Universitäten sowie die fehlenden Finanzmittel für Sanierung und Neubau an den Grundfesten des Hochschulstandortes Niedersachsen rütteln.

Das stellen nicht nur wir fest, sondern auch die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen, die Landeshochschulkonferenz (LHK) und weitere führende Wissenschaftsinstitute aus Niedersachsen, die sich, im Rahmen der Haushaltsverhandlungen, mit einem dringenden Appell an die Landesregierung und Minister Thümler gewandt haben und vor der Zweitklassigkeit des Wissenschaftsstandorts gewarnt haben.

Doch auch ihr Rufen verhallte fast vollständig im Nirwana der Uneinigkeit zwischen Finanzminister Hilbers und Wissenschaftsminister Thümler.

Das Ergebnis ist:

An der Universität Hannover stehen zurzeit 22 Professuren zur Disposition, darunter wohl ein ganzes Institut – nämlich

  • das Institut für Meteorologie
  • 2 wichtige Professuren in der Architektur
  • die einzige Professur für Afrikanische Geschichte (davon gibt es nur ganz wenige), deren Wegfall auch die Frage aufwirft; was wird aus den Atlantic Studies und dem historischen Seminar an der der Leibniz-Universität?
  • Ebenso gravierend wie nicht nachvollziehbar ist jedoch die Idee die Professur für inklusive Schulentwicklung an der LUH zu streichen

Gerade auf diese Streichung der Professur für inklusive Schulentwicklung reagierten in der vor kurzem statt gefundenen umfangreichen Anhörung zur inklusiven Schule im Kultusausschuss wirklich alle Anzuhörenden – vom Philologenverband bis zu den Elternvertretungen mit Unverständnis. Es wurde deutlich gemacht, dass wenn die Landesregierung sich ernsthaft auf den Weg zu einem inklusiven Schulsystem machen möchte, dann muss sie sich auch aktiv für die Beibehaltung dieser Professur stark machen und kann nicht schulterzuckend auf die Hochschulen zeigen, wenn diese zuvor solch drastische Sparmaßnahmen vom MWK verordnet bekommen.

Nicht nur die Leibniz-Universität, die sich gerade noch beworben hatte Exzellenzuni zu werden, auch die TU Braunschweig, ebenfalls eine Kandidatin für die die letzte Bewerbungsphase für den Titel der Exzellenzuniversität, ächzt unter dem Spardiktat von Minister Thümler.

Da wurden in der zweiten Bewerbungsphase erhebliche Mittel beim Bund für die Einrichtung von Juniorprofessuren eingeworben. Der Haken: Wenn die Universität alle diese Stellen besetzt, besteht die Gefahr, dass das Geld fehlt, um nach festgestellter positiver Evaluation eine Entfristung vorzunehmen. Die eingewobenen Mittel – ja Drittmittel, über die auch das MWK immer in große Jubelstürme ausbricht, werden evtl. zurückgegeben, weil man mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung und die dort angestrebten Einsparungen am Gesamthaushalt, schon heute weiß, dass eine Entfristung unter diesen Voraussetzungen nicht möglich sein wird.

Das kann doch nicht der Ernst dieser Landesregierung sein!

Und dann ist da noch ein Leuchtturm – ein Leuchtturm der Aufklärung, ganz im Geiste der Historie der Georg-August Universität Göttingen im Rahmen der ersten Exzellenzinitiative entstanden - das Lichtenberg-Kolleg.

Auch das Lichtenberg-Kolleg eine relativ kleine, aber besonders internationale Institution, ist in den letzten Tagen des Jahres 2020 den Sparvorgaben des MWK zum Opfer gefallen. Es ganz weg zu rationalisieren hat man sich dann am Ende doch nicht getraut und dem Leiter Prof. van Gelderen mit seinen beiden politisch sehr sensiblen Themen – dem multidisziplinären Anne Frank Projekt und das Moritz-Stern-Projekt Modern Jewish Studies eine neue Heimat in der Philosophischen Fakultät anzubieten versucht.

Das internationale Fellow - Programm allerdings soll eingestellt werden. Was aus dem historischen Gebäude wird ist offen.

Damit verzichtet die Universität (mit der Schließung des Lichtenberg-Kollegs) auf den Erhalt einer „einzigartigen kosmopolitischen Forschungskultur- und –struktur“, wie Prof. van Gelderen in seinem Blog schreibt. Viel Geld spart die Universität damit allerdings wohl nicht.

Die Schließung hat internationalen Protest hervorgerufen. Sicher nicht nur mich erreichten Briefe aus den USA und Israel, u.a. von der Tochter Amos Oz` Prof. Fania Oz-Salzberger, in denen Unverständnis über die Schließung ausgedrückt wurde. Aber auch die Frage: Welche Bedeutung denn nun tatsächlich das Anne-Frank-Projekt und die Modern Jewish Studies für Niedersachsen haben?

Dies alles ist nur die Spitze eines Eisberges der Einsparungen die uns an allen Hochschulen in Niedersachsen erwartet, und nimmt noch nicht einmal den Investitions- und Sanierungsstau in den Blick.

Statt zu sparen sollte sich der Minister mit all seiner Kraft für eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen in Niedersachsen einsetzen. Andere Bundesländer, wie z.B. Hessen machen doch vor wie es gehen kann.

Der Hochschulpakt sollte verlässliche Planung ermöglichen. Genau das haben sie – schon vor Corona – in Frage gestellt. Sie unterschätzen in besorgniserregender Weise die Bedeutung von Forschung und Wissenschaft für unser Land – das gilt nicht zuletzt auch dem gesamten Kabinett.

Herr Minister Thümler, nehmen Sie Ihre Verantwortung für den Lehr- und Wissenschaftsstandort ernst! Nehmen Sie auch die Kritik aus dem System ernst und engagieren Sie sich endlich für eine Hochschulfinanzierung die trägt.

Rasenmäher halten das Gras kurz, Lehre und Wissenschaft müssen sich jedoch entfalten können und das geht - wie bei einer Blumenwiese - nur ohne Rasenmäher!

Zurück zum Pressearchiv