Antwort der Landesregierung auf kleine Anfrage:Angeschwemmtes Paraffin in Cuxhaven: Was tut die Landesregierung?

Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz, Eva Viehoff, Imke Byl und Stefan Wenzel (GRÜNE), eingegangen am 19.11.2018 - Drs. 18/2154 an die Staatskanzlei übersandt am 22.11.2018 - Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 20.12.2018

Angeschwemmtes Paraffin in Cuxhaven: Was tut die Landesregierung?
Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz, Eva Viehoff, Imke Byl und Stefan Wenzel (GRÜNE), eingegangen am 19.11.2018 - Drs. 18/2154 an die Staatskanzlei übersandt am 22.11.2018

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 20.12.2018


Vorbemerkung der Abgeordneten
An den Ostfriesischen Inseln wurde im Juli dieses Jahres vermehrt Paraffin angeschwemmt. Ende Oktober traf es auch Cuxhaven. Entlang des gesamten Cuxhavener Strands von Sahlenburg bis Döse wurden verklumptes Paraffin und damit verbundene schädliche, ölhaltige Mischungen und Rückstände angeschwemmt. Auch der Große Vogelsand und die zu Hamburg gehörenden Inseln Neuwerk und Scharhörn waren betroffen. Paraffin ist ein wachsartiges Erdölprodukt, das für die Herstellung von Kerzen, Arzneimitteln und Kosmetika verwendet wird. Der Rohstoff wird per Schiff in Tankern transportiert. Nach einer groben Reinigung im Hafen ist es bislang unverändert zulässig, dass Schiffe ihre Tanks außerhalb der 12-Meilen-Zone auf See auswaschen. Die Rückstände aus diesen Schiffsreinigungen finden sich dann an niedersächsischen Stränden wieder.


Während der Amtszeit des Umweltministers Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich die Landesregierung für ein Verbot von Paraffin-Einleitungen ausgesprochen. Die Umweltministerkon-ferenz fasste am 24. Oktober 2014 einen entsprechenden Beschluss und forderte eine Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL). Auch im Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der Meeresschutzstrategie (MSRL) wurde das Einleitungsverbot in der Folge verankert. Die Weltschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (IMO) befasst sich mittlerweile ebenfalls mit der Frage, ein Verbot wurde bislang jedoch nicht ausgesprochen.


Vorbemerkung der Landesregierung
Paraffin gehört zu den als Massengut in Tankern transportierten hoch viskosen und wasserunlösli-chen Produkten (sogenannte Floater). Der Transport über den Seeweg stellt eine wesentliche Quelle des Eintrags von Paraffinrückständen in die Meeresumwelt dar. Der Eintrag erfolgt zumeist über Tankwaschungen. Der rechtliche Rahmen ist durch das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL-Übereinkommen) der Weltschiff-fahrtsorganisation der UN (IMO) geregelt.


1 WESER-KURIER vom 13.07.2018, www.weser-kurier.de/region/niedersachsen_artikel,-wachsklumpen-verdrecken-ostfrieslands-straende-_arid,1748791.html


2 Cuxhavener Nachrichten vom 29.10.2018

An deutschen, aber auch an niederländischen, dänischen und britischen Stränden sind wiederholt Anlandungen von Paraffin aufgetreten. Darunter gab es große Anlandungen, wie im Jahr 2016 auf Borkum mit einem Verschmutzungsgrad von rund 15 km Länge und einer Gesamtmenge von 74,35 t Paraffinabfall, aber auch zahlreiche kleinere Vorfälle. Die Verursacher konnten zumeist nicht ermittelt werden. Die Beseitigung der Strandverunreinigungen hat hohe Kosten für die öffentli-che Hand hervorgerufen und damit zu einem volkswirtschaftlichen Schaden geführt. Paraffinverun-reinigungen in der Meeresumwelt können darüber hinaus auch ökologische und gesundheitliche Auswirkungen haben.


Die unabhängige Umweltexpertengruppe „Folgen von Schadstoffunfällen“ des Havariekommandos (UEG) hat im Jahr 2014 in einer Stellungnahme „Verschmutzung von Nord- und Ostsee durch Pa-raffin“ die Situation zu Anspülungen von chemischen Produkten, insbesondere Paraffin, an den deutschen und benachbarten Küsten aufgezeigt. Die Stellungnahme der UEG ist unter folgendem Link auf der Internetseite des Havariekommandos eingestellt: https://www.havariekommando.de/DE/wir-ueber-uns/UEG/Expertengruppe-node.html


Weitere Untersuchungen zur Präsenz von Paraffinwachs in der Meeresumwelt mit besonderem Augenmerk auf Strandverschmutzungen wurden vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrogra-phie (BSH) zusammen mit dem Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein durchgeführt. In diese Untersuchung sind auch Daten aus Niedersachsen ein-gegangen (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz [NLWKN], Mellumrat e. V.).

1. Wie viel Paraffin wurde in Cuxhaven und angrenzenden Gebieten bei o. g. Fall angespült, und wie viele Helferinnen und Helfer waren bei den Reinigungsarbeiten im Einsatz?
Im Stadtgebiet Cuxhaven wurden 15 m³ eingesammelt, teilweise vermischt mit Treibsel und Sand. Im Einsatz waren am 28.10.2018: 10 Helfer THW, 19 Feuerwehrleute, 6 Mitarbeiter Kurverwaltung, 1 Mitarbeiter Stadt Cuxhaven, 1 Mitarbeiter NLWKN, an den folgenden Tagen (29.10., 01.11. und 02.11.) je 4 Mitarbeiter Kurverwaltung. Am Elbufer von Otterndorf bis östliches Stadtgebiet Cuxhaven lagen auf einer Länge von ca. 5 km etwa 30 bis 40 Liter. Aufgenommen wurde nichts.


Im Landkreis Cuxhaven wurde am 01.11.2018 an der Elbe (Kreisgrenze mit Stadt Cuxhaven bis Einmündung Medem, ca. 7 km) eine Begehung des Ufers vorgenommen. Im Einsatz waren je ein Mitarbeiter des Landkreises Cuxhaven, des Hadelner Deich- und Uferbauverbands und des NLWKN. Hier wurden nur vereinzelte Paraffinrückstände gesichtet, konzentriert auf wenige Quad-ratmeter, in der Summe ca. 20 Liter, dies wurde als nicht bekämpfungswürdig angesehen. Vom Uferbereich Land Wursten und Osterstader Marsch wurden keine Paraffinanlandungen gemeldet.


Auf den zu Hamburg gehörenden Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn waren in der Zeit vom 02.11. bis 07.11.2018 bis zu sieben Hamburg-Port-Authority-Mitarbeiter und der Nationalpark-Ranger im Einsatz. Es wurden 6,25 m³ Sand-Treibsel-Trockengut-Paraffingemisch mit einem Paraf-finanteil von 50 bis 70% eingesammelt. Bei dem Einsatz sind 31 Personentage angefallen.


Ende Oktober 2018 wurden auf Spiekeroog ca. 80 kg Paraffin aufgefunden, aufgesammelt und entsorgt.


2. Wie viele Fälle von Paraffin-Anspülung an niedersächsischen Stränden gab es in den vergangenen zehn Jahren (bitte jeweils Datum, Ort und angespülte Mengen anführen)?
Nachfolgende Paraffinsichtungen und -anlandungen wurden im Rahmen der Anfrage gemeldet.
11.09.2007: Borkum, Räumung und Entsorgung durch Stadt Borkum und LK Leer, ca. 1,3 t.
14.11.2007: Norderney ca. 5 m³, Baltrum ca. 1 m³, Langeoog ca. 2 m³, Räumung und Entsorgung durch Gemeinden/Landkreise.

27.05.2010: Weser/Brake, kleine klumpige Wachsrückstände/Palmöl.
08.06.2010: Spiekeroog, keine Menge und Räumung bekannt.
04.05.2012: Nordsee/Weser Außenreede, weißliche Kleinstpartikel, vermutlich Paraffin.
18.06.2014: Borkum, Juist, Norderney, insgesamt ca. 1,5 m³, Räumung und Entsorgung durch Ge-meinden/Landkreise.
21./23.09.2014:Spiekeroog, Norderney, keine Mengen und Räumung bekannt.
06.03.2015: Borkum, keine Menge und Räumung bekannt, 3 bis 4 km Ausbreitung.
5.-9.4.2015: Stadtgebiet Cuxhaven, vorrangig in der Grimmershörnbucht, ca. 80 l Paraffin, wurde aufgenommen.
22.03.2016: Wangerooge, keine Menge und Räumung bekannt.
25.03.2016: Minsener Oog, im gesamten Spülsaumbereich, angefangen am SW-Strand in Höhe Wanderweg bis hin zum südlichen Ende Gleisdreieck. Die 3 etwas größeren Stücke hatten Abmessungen von ca. 24x14; 16x14 und 13x6 cm. Das Gros aber machten nur mehrere Millimeter bis 1x1 cm große Funde aus.
29.03.2016: Spiekeroog, Oststrand, 3 bis 4 km, max. bis Handgröße.
26.05.2016: Baltrum, keine Menge und Räumung bekannt.
01.06.2016: Komplexer Schadstoffunfall vor Borkum. Räumung und Entsorgung durch Stadt Borkum und LK Leer, (10 bis 15 km), ca. 75 t.
03.06.2016: Juist, gesamter Strand, Ost alle 20 m, West alle 30 m ein Paraffinbrocken.
24.04.2017: Mellum, Nord- und Weststrand, 20 fußballgroße Klumpen.
29.06.2018: Baltrum, Nordstrand, keine Menge und Räumung bekannt.
09.07.2018: Paraffinanlandungen auf verschiedenen ostfriesischen Inseln (Juist, Spiekeroog, Wangerooge), Entsorgung, sofern stattgefunden, durch Inselkommunen, keine Men-genangaben bekannt, feste erbsen- bis orangengroße Klumpen (Saum von sehr kleinen bis vereinzelt fußgroßen gelblichen Brocken).
03.08.2018: Paraffinanlandungen auf verschiedenen ostfriesischen Inseln, Entsorgung, sofern stattgefunden, durch Inselkommunen, keine Mengenangaben bekannt.
28.10.2018: Wangerooge, Saline bis Aussichtsplattform, einige große Brocken (ca. zehn Stück ab Faustgröße), insgesamt nicht viel auf 100 m.
29.10.2018: Minsener Oog, von fußballgroß bis sehr klein, keine Menge und Räumung bekannt
29.10.2018: Spiekeroog, 80 kg, aufgefunden, aufgesammelt und entsorgt.
30.10.2018: Paraffinanlandungen auf verschiedenen ostfriesischen Inseln, Entsorgung, sofern stattgefunden, durch Inselkommunen, keine Mengenangaben bekannt.
11/2018: Brake-Oldenburg, geringe Verschmutzung, wurde als nicht bekämpfungswürdig ein-gestuft.
2018: Borkum: rund sechs Einsätze, die eine Begehung des Ordnungsamtsleiters am Spül-saum erforderlich machten. Die Einsätze hatten jedoch keine Folgen, weil die Ereig-nisse in Menge und/oder Größe der Brocken als zu gering bewertet worden sind. Die Anlandung von Paraffin kann durchaus auch mehr Ereignisse umfassen. Es findet nach Auskunft der Stadt Borkum eine stete und schleichende Verunreinigung am Strand statt. Diese Ereignisse wurden wegen der geringen Mengen aber nicht von der Stadt Borkum erfasst.

 

3. Wer ist für die Reinigung der betroffenen Strände bzw. der betroffenen Küstenabschnitte zuständig, und wer trägt die Kosten für die Aufräumarbeiten und die Entsorgung der Abfälle?
Bei einer Paraffinanlandung obliegen die Zuständigkeiten für die Strandreinigung und Abfallentsor-gung wie bei anderen Schadstoffanlandungen/-unfällen dem Land (hier dem NLWKN) bzw. den kommunalen Behörden. Der NLWKN ist im Bereich der niedersächsischen Küstengewässer und in den Unterläufen von Ems, Weser und Elbe bis zur Grenze der 12-Seemeilenzone für die Bekämp-fung von Schadstoffunfällen unterhalb der mittleren Tide-Hochwasserlinie zuständig. Oberhalb dieser Linie sind die kommunalen Behörden als Gefahrenabwehrbehörden zuständig.


Größere Paraffinanlandungen können als sogenannter „komplexer Schadstoffunfall“ gemäß der Vereinbarung des Bundes und der Küstenländer über die Bekämpfung von Meeresverschmutzun-gen eingestuft werden. In diesem Fall übernimmt das Havariekommando die Gesamteinsatzleitung und koordiniert im Rahmen einer Auftragstaktik den Einsatz. Der Schwellenwert für einen komple-xen Schadstoffunfall im Hinblick auf Paraffin wurde von den Partnern der Vereinbarung im Jahr 2012 wie folgt festgelegt: 30 m³ Paraffinabfall bzw. alternativ eine erhebliche Bedeckung von Ufer und/oder betroffener Böschungen mit Paraffin auf einer Länge von mindestens 10 km.
Im Rahmen eines komplexen Schadstoffunfalls werden die Kosten vom Bund und von den fünf Küstenländern gemäß Vereinbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen gemein-sam getragen, sofern der Verursacher dieser Verschmutzungen nicht ermittelt werden kann. Kann ein Verursacher ermittelt werden, werden die Kosten bei diesem geltend gemacht.


Unterhalb eines komplexen Schadstoffunfalls tragen das Land bzw. die kommunalen Behörden die Kosten, sofern der Verursacher nicht ausfindig gemacht werden kann.
Auf den zu Hamburg gehörenden Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn ist gemäß einer Zu-ständigkeitsanordnung der Freien und Hansestadt Hamburg die Hamburg Port Authority für die Reinigung der betroffenen Strand- bzw. Küstenabschnitte zuständig.

 

4. Welche Kosten für Entsorgung, Helferinnen und Helfer und Materialeinsatz sind durch die Paraffin-Anspülungen in den letzten zehn Jahren entstanden (bitte nötigenfalls schätzen)?
In 2014 sind bei der Stadt- und Kurverwaltung Norderney Kosten in Höhe von ca. 15 000 Euro angefallen. Auf Baltrum und Juist ist es zu diesem Zeitpunkt ebenfalls zu größeren Anlandungen von Paraffin gekommen, allerdings ließ sich der Beseitigungsaufwand hier nicht genau beziffern. Bei kleineren Anlandungen wie im Juli und November 2014 flossen die Aufreinigungskosten in die allgemeinen Strandreinigungskosten der Kommunen ein.


Juni 2016: Bei einer als komplexer Schadstoffunfall deklarierten Paraffinanlandung im Juni 2016 auf Borkum sind der Stadt Borkum Kosten von ca. 55 000 Euro entstanden. Beim NLWKN fielen Kosten in Höhe von 3 456,05 Euro an. Der Bund und die Küstenländer haben die Kosten zu jeweils 50 % getragen.


2018: Die Kosten für Entsorgung, Helfer, Materialeinsatz bei der diesjährigen Aufnahme von Paraf-finanlandungen in Cuxhaven werden auf ca. 10 000 Euro geschätzt. Wegen noch ausstehender Rechnungen stehen endgültige Kosten noch nicht fest. Es ist eine hälftige Kostenteilung zwischen dem NLWKN und der Stadt Cuxhaven geplant, da dies dem Aufwand in den jeweiligen Zuständig-keitsbereichen entspricht.
Für die Inselgemeinde Spiekeroog sind in den vergangenen zehn Jahren geschätzte 1 000 Euro für die Reinigungsarbeiten angefallen. Anlandungen an der Inselgemeinde Langeoog waren sehr ge-ring und wurden nicht separat erfasst.
Kosten für die vor 2014 aufgetretenen Paraffinanlandungen konnten nicht mehr ermittelt werden.

 

5. Welchen Umweltschaden haben die Paraffin-Anspülungen in den letzten zehn Jahren verursacht (bitte auch Kostenschätzung nennen)?
Hierzu wird auf die Stellungnahme „Verschmutzung von Nord- und Ostsee durch Paraffin“ der UEG vom 22. Juli 2014 und das Forschungsvorhaben des BSH und des LKN SH verwiesen, siehe Vor-bemerkungen.


Danach steht die die physikalisch-chemisch bestimmte Verteilung von Paraffin oder chemisch ähn-licher Stoffe im Meer im Vordergrund der Umweltbelastung. Für die Nordseeküste zeigt die aktuelle Zusammensetzung der in den Spülsäumen gefundenen Proben im gesamten Untersuchungsgebiet aber auch deutlich, dass regelmäßige Einleitungen von Ölrückständen aus der Brennstoffseparati-on ein Thema der Vergangenheit waren und durch die regelmäßigen Einleitungen von Paraffin-wachsen abgelöst wurden. Paraffinwachse schwimmen auf dem Wasser auf und verbleiben dort über längere Zeit. Dieses Verhalten ist stark temperaturabhängig. Fast alle Paraffine härten im Nordsee- und Ostseewasser, auch im Sommer bei rund 20 Grad Celsius, aus und bilden weiche Verklumpungen, die Wasser bzw. Luft einschließen. In wärmeren Gewässern können sie in der Sonne jedoch schwimmende Lachen bilden. Die Gefahr für Wasservögel steht hier im Vordergrund. Ihr Gefieder verklebt. Diese Gefahr ist im kühlen Nordseewasser allerdings sehr gering.


Die Risiken für das Leben im und am Meer ähneln denen anderer Abfälle: Paraffinbrocken werden von Meerestieren mit Nahrungsteilen verwechselt und verschluckt. Funde von Paraffinwachs in Mägen von Eissturmvögeln und Speiballen von Dreizehenmöwen zeigen, dass dieser Schadstoff Einzug in die marinen Nahrungsnetze gefunden hat. Es ist anzunehmen, dass auch andere Tierar-ten bzw. Tiergruppen Paraffinwachs aufnehmen.
Zusammen mit paraffinartigem Material wurde im Rahmen der Untersuchungen stets auch eine Vielzahl an Kunststoffteilchen gefunden. Auch in dem entlegensten Punkt der Deutschen AWZ sind beide Verschmutzungstypen in vergleichbarer Häufigkeit vorzufinden. Die Verunreinigung der Nordsee durch Paraffinwachse und Pflanzenfette sind damit unwiderlegbar nicht als Randerscheinung oder lokales Phänomen zu bewerten.


Zu den gesundheitlichen Risiken der Paraffine sind keine generellen Einschätzungen möglich. Während reine Paraffine bei Kontakt mit der Haut keinerlei gefährliche Eigenschaften zeigen, rei-zen die meisten Industrieparaffine Haut und Augen, und einige Paraffintypen gelten als krebser-zeugend. Die Beurteilung des genauen Gesundheitsrisikos ist erst nach einer sicheren chemischen Analyse der angestrandeten Produkte möglich. Teilsperrungen von Stränden sollten nach Ein-schätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung gegenüber den betroffenen Küstenländern und dem Havariekommando daher in Erwägung gezogen werden. Vom Reinigungspersonal sollten vor-sorglich Handschuhe als Schutzmaßnahme genutzt werden.


Konkrete Kosten für Umweltschäden können derzeit nicht angegeben werden. Auch eine seriöse Schätzung erscheint kaum möglich. Wie in den Vorbemerkungen ausgeführt, sind die entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten jedoch hoch.


6. Welche Kosten der Paraffin-Anspülungen haben jeweils Gemeinden, Landkreise, Land und Bund übernommen?
Auf die Antwort zu den Fragen 3, 4 und 5 wird verwiesen.


7. In wie vielen der unter 2. genannten Fälle ist es gelungen, den Verursacher der Ver-schmutzung zu ermitteln?
Im Zeitraum von 2008 bis 2018 gelangten der Polizei Niedersachsen insgesamt neun Fälle von Pa-raffinanlandungen im Bereich der niedersächsischen Nordseeküste zur Kenntnis. In keinem Fall konnte ein Verursacher ermittelt werden.

 

8. In wie vielen dieser Fälle wurden die entstandenen Kosten für Aufräumarbeiten und Entsorgung vom Verursacher übernommen?
Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen.


9. An welchen niedersächsischen Häfen legen Schiffe an, die Paraffin transportieren?
In den niedersächsischen Seehäfen wird kein Paraffin umgeschlagen. Daher laufen Schiffe mit solchen Ladungen diese Häfen nicht an. Im Hamburger Hafen legen regelmäßig Schiffe an, die Paraf-fin transportieren.


10. An welchen dieser Häfen entstehen den Schiffen über die Hafengebühren hinaus zusätzliche Kosten für die Entsorgung von Paraffinresten?
Die Entsorgung von Schiffen in den niedersächsischen Seehäfen richtet sich nach dem 6. Teil des Niedersächsischen Abfallgesetzes (NAbfG), mit dem die Vorgaben der Richtlinie 2000/59/EG um-gesetzt sind. Dabei wird zwischen Schiffsabfällen und Ladungsrückständen unterschieden. La-dungsrückstände sind dabei die nach Abschluss der Lösch- und Reinigungsverfahren an Bord in Laderäumen oder Tanks befindlichen Reste von Ladungen sowie die beim Laden oder Löschen verursachten Überreste und Überläufe. Die in § 38 NAbfG enthaltenen Vorgaben für die Entgelt-ordnung gelten für Schiffsabfälle. Ladungsrückstände sind davon nicht betroffen.


Gemäß § 36 Abs. 1 NAbfG sind Ladungsrückstände vor dem Auslaufen aus dem Hafen in eine Hafenauffangeinrichtung zu entladen, sofern das Schiff nicht regelmäßig die gleiche oder ähnliche La-dung befördert und in der Folge eine Reinigung der Laderäume und Tanks nicht erforderlich ist. Für das die Ladung empfangende Hafenumschlagunternehmen besteht nach § 36 Abs. 2 NAbfG die Pflicht, die bei den Lösch- und Reinigungsarbeiten anfallenden Ladungsrückstände zu übernehmen. Die Aufteilung der Kosten ist zwischen Hafenumschlagunternehmen und Schiff zu regeln.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat mitgeteilt, dass die Entsorgung von Ladungsrückständen (hier: Waschwasser aus Laderäumen) auch nach einem Paraffintransport ohne Kosten für das Schiff beim Ladungsempfänger verbleiben kann. Dieser muss die Ladungsrückstände annehmen. Jedoch würden nicht alle Schiffe die Ladungsrückstände beim Ladungsempfänger abgeben, viel-mehr sogar eine Abgabe mit Hinweis auf die legale Einleitmöglichkeit außerhalb der 12 Seemeilen-zone ablehnen, da dies zu Zeitverlusten für die Schiffe führt.


11. Wie ist der Stand der Verhandlungen zur Änderung des MARPOL-Übereinkommens?
Auf der IMO-Marine-Environment-Protection-Committee-Sitzung (MEPC) vom 22. bis 26.10.2018 wurde das Thema behandelt. Zur Abstimmung standen Vorschläge zur besseren Regulierung der Entsorgung von Rückständen von Paraffin, paraffinähnlichen Stoffen sowie Pflanzenfetten (Per-sisent Floater) aus Schiffstanks. Die Vorschläge wurden im Vorwege in dem IMO-Sub-Committee „Pollution Prevention Response“ (PPR) auf der Grundlage eines Berichts der Arbeitsgruppe „Evaluation of Safety and Pollution Hazards of Chemicals“ (ESPHC) erarbeitet. Nach Mitteilung des Bundes ist vorgesehen, die Nord- und Ostsee zu Sondergebieten gemäß Marpol, Anlage II, auszu-weisen. Das Einleiten hochviskoser Stoffe von Schiffen wäre dann dort nur noch nach einem soge-nannten Pre-wash gestattet. Bei einem „Pre-wash“ werden die Ladungstanks im Hafen ausgewa-schen und dabei entstehende Waschwässer an Land entsorgt. Die zweite Tankwaschung kann da-nach, weiterhin, auf See entsorgt werden, aber dann würden nur noch geringe Mengen Paraffin ins Meer abgeleitet. Ein Beschluss zur Ausweisung des Sondergebietes könnte im Mai 2019 bei der IMO getroffen werden.

 

12. Was hat die rot-schwarze Landesregierung bislang getan, um das Ziel der Umweltmi-nisterkonferenz 2014, ein Einleitungsverbot für Paraffin, zu erreichen?
Die Landesregierung steht in regelmäßigem Kontakt mit dem Bundesverkehrsministerium, um auf der Ebene der IMO eine Beschlussfassung gemäß der Antwort zu Frage 11 zu erwirken.

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