Antwort der Landesregierung:Schutz des Cuxhavener Watts: Baggergut-Verklappung in der Elbmündung am Neuen Lüchtergrund

Schutz des Cuxhavener Watts: Baggergut-Verklappung in der Elbmündung am Neuen Lüchtergrund



Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff, Imke Byl, Meta Janssen-Kucz und Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 05.12.2018 - Drs. 18/2322 an die Staatskanzlei übersandt am 07.12.2018


Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 31.12.2018


Vorbemerkung der Abgeordneten
Die Verklappung von Baggergut aus der Tideelbe vor dem Cuxhavener Watt stehe auf dem Prüfstand, berichteten die Cuxhavener Nachrichten am 21.11.2018: „Nach Informationen aus dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt kann einer Schlickverbringung im Seegebiet Neuer Lüchtergrund aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zum touristisch intensiv genutzten Duhner Watt von Seiten Niedersachsens nicht weiter zugestimmt werden“, berichtet der Cuxhavener SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Santjer.
Damit sei die Verklappung zwar noch nicht gestoppt, bei den nächsten Einvernehmensgesprächen im Frühjahr 2019 sollen jedoch Alternativen gefunden werden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt sei nun aufgefordert, nach möglichen Verklappungsstellen stromab zu suchen, von denen relevante Schlickeinträge in das Gebiet des Duhner Watts ausgeschlossen werden können. Des Weiteren
solle Baggergut nur noch bei ablaufendem Wasser eingebracht werden, und die umgelagerten Sedimente müssten regelmäßig auf Schadstoffbelastungen untersucht werden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven (WSA) lässt im Gebiet Neuer Lüchtergrund östlich der Fahrrinne nach eigenen Angaben jährlich bis zu 4 Millionen m3 Schlick aus der Tideelbe von den Hopperbaggern verklappen. Kritiker dieser Praxis sind jedoch der Ansicht, dass die Verklappung in derart kurzer Entfernung zum Wattenmeer zur zunehmenden Verschlickung des Watts vor Cuxhaven beiträgt.
Das Gebiet um den Neuen Lüchtergrund am Rande des Elbe-Fahrwassers liegt etwa 10 km vor Cuxhaven und grenzt unmittelbar an die Naturschutzgebiete und den Nationalpark Wattenmeer auf niedersächsischer und schleswig-holsteinischer Seite sowie den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer
bei Neuwerk. Es wird bislang oft mehrmals täglich für Verklappungen aus der Unterhaltungsbaggerei
angefahren und ist außerdem für die Verbringung von 12,5 Millionen m3 Baggergut
aus der jetzt planfestgestellten 9. Elbvertiefung vorgesehen.


Vorbemerkung der Landesregierung
Die großräumige morphologische Entwicklung im Duhner Watt ist vor allem auf den Bau des seit
den späten 60er-Jahren hydraulisch wirksamen Leitdamms Kugelbake durch die Bundeswasserstraßenverwaltung
zurückzuführen. Die dadurch bedingte Festlegung des Elbe-Fahrwassers auf
zwei anstatt bislang drei Rinnen geht mit einer östlichen Verschwenkung dieser Rinnen einher. Auf der Wattseite kommt es hingegen zur Sedimentation erheblicher Sandmengen und dadurch bedingte Auflandung. Diese beeinflusst zudem auch die Seegangsexposition der nachgelagerten
Wattbereiche.
Die vorgenannte morphologische Entwicklung für das Duhner Watt lässt sich auf Basis von Differenzenkarten
der Luftbildauswertung 1996 und 2014 und korrespondierend dazu der digitalen Geländemodelle
1999 und 2012 ableiten und wurde von der Landesregierung detailliert analysiert
(Forschungsstelle Küste, 2016).
Für den ufernahen Bereich des Duhner Watts kann danach eindeutig festgestellt werden, dass im
Bereich der Strandbuhnen eine zum Teil starke Verfeinerung der Oberflächensedimente von hellem
Sandwatt zu Mischwatt stattfindet, einhergehend mit anhaltender Sedimentation. Der gesamte
strandnahe Wattbereich wird somit aufgehöht. Diesem Areal ist ein schmaler Übergangsbereich
vorgelagert, der kaum von Umlagerungen betroffen ist.
Auf den nördlich angrenzenden Watten kam es im Zeitraum 1999 bis 2012 großräumig zu einer
Entwicklung von dunklem zu hellem Sandwatt. Das Wattniveau wurde dort um einige Dezimeter
aufgehöht. Die resultierende stärkere Seegangsumformung erklärt letztlich die beobachtete Vergröberung
des dortigen Sediments durch Auswaschung der Feinanteile sowie Ablagerung vorrangig
gröberer Sedimente.
Von Westen her dehnt sich das Altoxstedter Tief flächig in Richtung Duhnen aus und tieft sich dort
um mehr als einen halben Meter ein. Während es in dieser Rinne zur Vergröberung des Sediments
kommt, ist südlich in Richtung Lahnungsfeld eine leichte Verfeinerung festzustellen.
Von morphologischer Bedeutung für das Duhner Watt ist daher insbesondere die veränderte Entwässerung
der Rinnen im Gezeitenrhythmus über das südlich gelegene Altoxstedter Tief anstatt
wie vorher über das Stickers Gat und Duhner Loch im Norden. Dadurch wird einerseits das Einschwingen
energiereichen Seegangs mit seiner vorrangigen Wirkung, Feinsediment in Schwebe
halten zu können, behindert und damit die Sedimentation von Feinsedimenten im Gebiet weiter begünstigt.
Zudem „entkoppelt“ diese Entwicklung die Wattflächen von Duhnen weitgehend von der Schwebstoffsituation
in der durch das Kugelbake-Längswerk und den mittlerweile stark aufsedimentierten
Steilsand separierten Elbe. Die wesentliche Befüllung/Entleerung und Feinstsedimentbeaufschlagung
des Duhner Watts erfolgt stattdessen durch die Ostertill.
Das großräumige Platen- und Rinnensystem zwischen Weser und Elbe weist für den Zeitraum
1996 bis 2014 eine stabile Sedimentverteilung auf. Auf den Flächen mit Änderung der Sedimentzusammensetzung
stehen Erosion und Sedimentation im Gleichgewicht, was ursächlich auf die natürliche
Variabilität bzw. Dynamik des Wattgebiets (z. B. als Folge von Rinnenverlagerungen) schließen
lässt. Auch die Verteilung der Wattarten hat sich kaum geändert, da diese letztlich die jeweilige
lokale hydrodynamische Belastung (Seegangsexposition, Strömungsintensität) widerspiegeln.
Am nördlichen Steilsand und den unbezeichneten Bänken um den nördlichen Eingang des Stickers
Gat herum wird gleichwohl eine Verfeinerung der dortigen Wattsedimente beobachtet. Diese Bereiche
be- und entwässern unmittelbar über die Elbe. Der hier beobachtete Eintrag von feinerem Sediment
setzt ebenfalls beides voraus: Die Verfügbarkeit solchen Sediments und die Möglichkeit zur
Ablagerung durch hinreichend vor Seegangs- und Tidedynamik abgeschattete Bereiche.
Die Landesregierung hat die v. g. morphologischen Untersuchungen im Duhner Watt in enger Abstimmung
mit der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven vorgenommen und teilt grundsätzlich Besorgnisse,
die dort aufgrund der erheblich zugenommenen Verbringung von Sedimenten in das
Mündungsgebiet der Elbe bestehen. Daher hat sie Kontakt mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung
des Bundes aufgenommen, um nachteilige Auswirkungen auf das Duhner Watt
möglichst auszuschließen.
Nach § 4 des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) sind bei der Verwaltung, dem Ausbau und
dem Neubau von Bundeswasserstraßen die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft
im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren. Mit der 13. Ausführungsbestimmung zum
Niedersächsischen Wassergesetz - Verfahrensgrundsätze über die Zusammenarbeit der Wasserund
Schifffahrtsverwaltung des Bundes und der Landeswasserbehörden (RdErl. d. MU v.
01.02.1989) - wurden Grundsätze über die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen eingeführt. Hierin ist festgelegt, dass die zuständigen Behörden der Wasserstraßen-
und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die zuständigen Wasserbehörden der Länder über
geplante Unterhaltungsmaßnahmen unterrichten. Hierbei werden (Unterhaltungs-)Maßnahmen und
ihre möglichen Auswirkungen aufeinander erörtert. Die Beteiligten suchen bei widerstreitenden Interessen
einen sachgerechten Ausgleich. Die Verpflichtung des Bundes, bei der Verwaltung einschließlich
Unterhaltung der Bundeswasserstraßen die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft
im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren (§ 4 WaStrG), bleibt unberührt.
Demzufolge finden für die Elbe regelmäßig jährliche gegenseitige Unterrichtungen i. d. R. im Frühjahr
zwischen den Behörden der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und den
Ländern statt. Die Landesregierung sieht grundsätzlich das Erfordernis der Herstellung des Einvernehmens
bei den hier in Rede stehenden Sedimentumlagerungen im Bereich Neuer Lüchtergrund.

 

1. Ab wann will die Landesregierung die Verklappung von Baggergut am Neuen Lüchtergrund stoppen?
Die Unterhaltung der Bundeswasserstraße ist eine Hoheitsaufgabe des Bundes und liegt in der Zuständigkeit
der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV). Die Landesregierung kann daher
die Verklappung nicht stoppen. Sie ist jedoch der Auffassung, dass auch alternative Klappstellen
geprüft werden müssen, und wird dies in die nächsten Einvernehmensgespräche mit der WSV
einbringen. Sie hat die Einvernehmensbehörde gebeten, die WSV von dieser Absicht zu unterrichten,
dies ist erfolgt. Zuständige Einvernehmensbehörde ist der Niedersächsische Landesbetrieb für
Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.


2. Welche Vorschläge macht die Landesregierung zu Schlickverbringungen aus dem Bereich der Elbe?
Bei den im Verbringstellenbereich Neuer Lüchtergrund (730/740) umgelagerten Baggermengen
handelt es sich zu einem großen Anteil um Sandfraktionen, die essenziell für die Stabilisierung des
Mündungstrichters und damit gleichzeitig ein wichtiges Element auch für den Küstenschutz sind.
Soweit es sich nicht überwiegend um Sandfraktionen handelt, erwägt die Landesregierung, eine
Verklappung grundsätzlich nur noch bei ablaufendem Wasser vorzunehmen. Darüber hinaus ist
beabsichtigt, mit der WSV die kontinuierliche Bereitstellung von Baggergutanalysen zu vereinbaren.


3. Worum geht es bei den Einvernehmensgesprächen im Frühjahr 2019?
Auf die Vorbemerkungen und die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

4. In welchem Umfang darf Baggergut nach aktuellem Genehmigungsstand am Neuen Lüchtergrund verklappt werden? (Bitte aufschlüsseln, woher das Baggergut stammt.)
Gemäß § 7 Abs. 3 WaStrG bedürfen Maßnahmen innerhalb der Bundeswasserstraßen, die der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen oder der Errichtung oder dem Betrieb der bundeseigenen Schifffahrtsanlagen dienen, keiner Erlaubnis, Bewilligung oder Genehmigung.


5. Welche Mengen Baggergut wurden in den vergangenen zehn Jahren am Neuen Lüchtergrund verklappt? (Bitte nach Jahren und Herkunft des Baggerguts aufschlüsseln.)
Hierzu wird auf die Anlage verwiesen, die der Landesregierung von der WSV zur Verfügung gestellt
wurde.

6. Mit welcher Erhöhung der Verbringungsmengen auf niedersächsischem Gebiet rechnet die Landesregierung aus den Unterhaltungsbaggerungen nach der jetzt geplanten neunten Elbvertiefung?
Die Veränderungen der Unterhaltungsbaggermengen sind den Planfeststellungsunterlagen für die
Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe zu entnehmen.

Die Unterlagen sind auf der nachstehenden Internetseite veröffentlicht: www.kues


tendaten.de/Tideelbe/DE/Projekte/FRA20XX/Planfeststellungsverfahren/Antragsunterlagen/Antrags
unterlagen_node.html.
Gemäß dem Erläuterungsbericht wird eine etwaige ausbaubedingte Erhöhung der Unterhaltungsbaggermengen
bei Annahme ungünstiger Verhältnisse mit 10 % abgeschätzt.
Im Übrigen geht aus den Antragsunterlagen (Planänderung III) hervor, dass im Bereich des Neuen
Lüchtergrundes vorgesehen ist, dort ausschließlich Feinsande und gröbere Fraktionen des ausbaubedingten
Baggerguts umzulagern. Hiermit wurde die bisherige Angabe, dass Schluffe in diesen
Bereich umgelagert werden sollen, korrigiert. Nach Auffassung der Landesregierung sollte gleichermaßen
bei künftigen Unterhaltungsbaggerungen verfahren werden.

7. Welche Änderungen sind bezüglich der Verklappungen am Neuen Lüchtergrund geplant?
Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen.

8. Welche Auswirkungen haben die Verklappungen auf das Watt vor Cuxhaven?
Die dazu bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse haben keinen direkten Zusammenhang
zwischen dem sektoralen Auftreten von Schlick im Duhner Watt und der Verklappungstätigkeit im
Gebiet Neuer Lüchtergrund aufgezeigt. Allerdings kann nach Auffassung der Landesregierung nicht
gänzlich ausgeschlossen werden, dass aus Baggergutumlagerungen im Mündungsbereich der Elbe
auch Schwebstoffe - wenn auch in geringem Maße - in das Duhner Watt verdriftet werden und sich
dort ablagern. Um das Risiko zu minimieren, führt die Landesregierung daher Gespräche mit der
WSV.
Im Übrigen ist aus historischen Unterlagen zu entnehmen, dass das Watt vor Duhnen und Döse
auch bereits vor dem Bau des Leitdamms (Beginn 1939) aus Sand-, Schlick- und Mischwatt bestand.
Dabei ist aus naturschutzfachlicher Sicht festzustellen, dass Schlickwatt deutlich produktiver
ist als Sandwatt. Um einen Interessenausgleich mit den Belangen des Cuxhavener Tourismus herzustellen,
hat die Landesregierung der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven empfohlen, Konzepte
zu entwickeln, die eine Gefährdung von Wattwanderern verhindern. Dies erscheint der Landesregierung
sinnvoller, als weitere Ursachenforschung zu betreiben oder in einen Rechtsstreit mit dem
Bund wegen des Leitdamms Kugelbake einzutreten.

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